Leidenschaftlicher Austausch beim fünften Community-Stammtisch

16.04.2024

 
15 Personen aus Caring Communities, Institutionen und Gemeinden tauschten sich am 15. April 2024 bei unserem fünften einstündigen Online-Stammtisch aus. Die angeregte Diskussion leiteten die beiden Gastgebenden Robert Sempach, Präsident Netzwerk Caring Communities und Daniela Specht, Projektkoordinatorin MeinGleichgewicht. Im Zentrum stand die Frage, wie offen Caring Communities wirklich sind und was es braucht, damit echte Teilhabe und Mitgestaltung der Gemeinschaft durch Menschen mit Behinderung gelingt.

Intensiver Austausch
Die Stammtisch-Runde beleuchtete in einer anregenden und teils auch emotional geführten Diskussion viele Fragen rund Caring Communities und Menschen mit Behinderung. Die Teilnehmenden brachten ihre eigenen Erfahrungen und Beispiele ein:

  • Eigentlich gehört es bei Caring Communities dazu, dass sie offen sind für alle Menschen. Oft ist das Thema «Menschen mit Behinderung» aber eher im Hintergrund. Punktuell funktioniert es in den Organisationen oder in Caring Communities, aber es ist nicht selbstverständlich. Symbolisch dafür ist, dass am Stammtisch nur eine Person mit Behinderung mit dabei ist.  
  • Barrierefreiheit ist oft schwierig zu realisieren. Oft wird auch nicht intersektional gedacht (Behindertengruppen sind stark segmentiert, Dominanz der Mobilitätsbehinderung). Aktuell findet hier ein Paradigmenwechsel statt. 
  • Bei den Anbietern von Community-Angeboten liegt oft die Aufgabe, einen Kommunikationswandel zu durchgehen. Teilhabe ist wichtig, auch Menschen mit Behinderung können etwas beitragen. Behinderte sind nicht nur die Hilfeempfänger:innen, die Schwachen. Solche Klischees schaffen Hürden. 
  • Gute Beispiele zeigen, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur Empfangende sind, sondern z.B. in der Nachbarschaft mitgestalten. Sie bringen ihre Potentiale und Ressourcen für die Gemeinschaft ein. Um dies zu erreichen, hilft die Vernetzung mit anderen Organisationen (z.B. Zeitgut und Verein luniq). Das Engagement steht im Fokus, nicht der Gesundheitszustand. Eine Person mit Behinderung kann dabei nehmend oder gebend sein.
  • Der Verein Sisu macht die Erfahrung, dass Junge mit Demenz für einen Kontakt bereit sind, die Gesellschaft ist es aber oft nicht. V.a. wenn es um eine kognitive Erkrankung geht, sind die Berührungsängste in der Gesellschaft sehr gross. Viele Communities sind nicht bereit dazu, sich auf solche Menschen einzulassen. Es herrschen verschiedene Ängste: 1) Angst vor auffälligem Verhalten; 2) Angst vor der Konfrontation mit der Vergänglichkeit und mit der Möglichkeit, dass die Krankheit alle treffen kann; 3) sobald ein Krankheitsbild dahinter ist, das eine gewisse Komplexität vermittelt, gibt es Berührungsängste.
  • Als Organisation muss man versuchen, die Kommunikation anzupassen, Freiwillige gut zu begleiten und Ängste abzubauen (Weiterbildungen und Veranstaltungen z.B. im Bereich Demenz). Das muss der Auftrag sein für Caring Communities, auch wenn es mehr Aufwand bedeutet : Man muss ein verbündeter Kommunikator werden, um Hürden abzubauen.
  • Plussport Bern macht gute Erfahrung mit Sport für alle Menschen. Es braucht mehr Unterstützung für die Teilnehmenden, das heisst auch mehr Ressourcen. Diese zusätzlichen Ressourcen sind nicht immer vorhanden, so z.B. beim Haus pour Bienne. Hier stellt sich das Problem mit der Barrierefreiheit: Der Verein kann keine Rampe finanzieren und aufgrund der zeitlich beschrenkten Zwischennutzung konnte bisher auch keine externe Organisation gefunden werden, die das übernimmt.

Beispiele

Fazit

  • Wir wurden am Stammtisch sensibilisiert, Begriffe sorgfältig zu verwenden. Wir haben gelernt, dass der Begriff Handicap belastet ist. Auch von «Behinderten» zu sprechen ist problematisch, weil es Menschen mit Behinderung auf das Merkmal «Behinderung» reduziert. Es ist ein komplexes Thema, die Behinderung zu benennen, ohne diskriminierende Begriffe zu gebrauchen.
  • Die Hindernisfreiheit sollte in jeder Konsequenz gegeben sein. Eingeschränkte Mobilität an einem Ort sind Softhürden. Man sollte den ganzen Weg durchdenken. Um wirklich barrierefrei zu sein, braucht es oft noch mehr, als nur hürdenfrei zu sein. Barrierefreiheit ist immer noch ein grosses Thema, es braucht auch andere Barrierefreiheitskonzepte als nur stufenfreie Zugänge.
  • Wichtig ist, dass es in den Communities Menschen gibt, die sensibel sind fürs Thema. 

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