Facetten von Einsamkeit beim achten Community-Stammtisch

02.12.2024

Immer wieder stellen sich Caring Communities die Frage, wie sie vermeintlich «einsame» Menschen besser erreichen und in ihre Gemeinschaft einbinden können.  Am 2. Dezember 2024 tauschten sich Personen aus Caring Communities, Institutionen und Gemeinden an unserem achten Online-Stammtisch dazu aus und diskutierten anhand eines konkreten Beispiels die Vielseitigkeit von Einsamkeit und die gemachten Erfahrungen. Gastgeber war Ruedi Winkler, Vorstandsmitglied des Vereins Netzwerk Caring Communities.

Ein Beispiel aus der Praxis im Zentrum der Diskussion

Zeitgut Zürich Höngg-Wipkingen, bei dem Ruedi Winkler Präsident ist, hat anfangs 2023 ein von der Stadt Zürich und dem Migros-Kulturprozent unterstütztes Projekt «Einsame Senioren:innen vernetzen» lanciert. Die Kernidee war, diejenigen Personengruppen anzusprechen, mit denen auch «Einsame» Kontakt haben, wie z.B. Aerzte:innen, Coiffeusen/Coiffeure, Apotheker:innen, Podologinnen usw. Wenn die einsamen Personen diesen etwas über ihre Einsamkeit erzählten, würden diese «Wegbegleiter:innen» sie darauf hinweisen, dass Zeitgut jemanden vermitteln könnte, die oder der sie z.B. ins Konzert begleitet, mit ihnen spazieren geht, einen Kaffee trinkt usw. Mit dem Einverständnis der einsamen Person würden sie die Adresse an Zeitgut weitergeben.

Learnings aus dem Projekt

  • Zeitgut hat viel Zeit und Mühe darauf verwendet, potenzielle Wegbegleiter:innen zu finden, dabei aber praktisch nur Absagen erhalten. Zeitmangel, Bedenken (Verlust von Kundschaft) und Missverständnisse waren die Hauptgründe.
  • Einsamkeit hat viele Facetten. Jeder Mensch ist auf seine eigene Art einsam. Einsamkeit ist individuell. Und «Einsam sein» ist in der Gesellschaft stigmatisiert. 
  • Als Konsequenz richtet es jetzt das Projekt neu aus und versucht neue niederschwellige Begegnungsorte zu schaffen. Es braucht einen neuen Zugang. Sie planen nun Aktivitäten, die für alle sind, z.B. mit Velo und Anhänger ins Quartier fahren und dort Kafi oder Apéro anbieten. So wollen sie einen einfachen Zugang schaffen.
  • "Wir brauchen euch" ist ein wichtiger Ansatz. Leute brauchen eine Rolle, so können sie einfach eingebunden werden. Z.B. haben sie Flyer "Telefonieren Sie gerne?" verteilt und hier von beiden Seiten viel Rücklauf erhalten. 

Anregende Diskussionen beim Stammtisch
Die Teilnehmenden brachten ihre Erfahrungen und Beispiele ein, wie sie in ihren Communities einen einfachen Zugang gestalten:

  • Beispiel eines Dorfes im Tessin: Mit einem kleinen Marktstand mit frischem Gemüse werden Menschen in Kontakt gebracht, es gibt eine Möglichkeit einen Kaffee zu trinken und ins Gespräch zu kommen. 
  • Angebote brauchen Zeit: Eine gewisse Regelmässigkeit ist wichtig, man darf nicht zu schnell aufgeben. Es ist wichtig, dass bei einer Begegnung spürbar ist, dass Zeit vorhanden ist.  
  • Man muss die Leute niederschwellig abholen und ihnen eine Rolle geben. Manchmal hat man auch zu wenig Fantasie. Man kann überlegen, was es alles zu tun gibt, ganz niederschwellige Arbeiten ausschreiben, z.B. Kuchen backen, Flyer verteilen, telefonieren, Dekoration basteln etc. 
  • Auch Erzählcafés können einen einfachen, niederschwelligen Zugang bieten.
  • 20-er Zonen können Menschen in der Nachbarschaft verbünden und neue Begegnungszonen entstehen lassen.

Fazit:

  • Es braucht den niederschwelligen Austausch. Man muss Gelegenheiten bieten, ins Gespräch zu kommen. 
  • Wenn frühere Begegnungsorte des Alltags zusammenbrechen (Post, kleine Dorfläden etc.), dann braucht es etwas Neues (z.B. Begegnungszonen). Wir müssen neue Gelegenheiten für Begegnung schaffen.
  • Eine gewisse Regelmässig ist wichtig, damit Beziehungen entstehen können (keine Eintagsfliegen).
  • Man sollte den Menschen möglichst eine Rolle/Aufgabe geben ("wir brauchen dich")

Wir suchen weitere Gastgeber:innen für einen Stammtisch
Der Stammtisch ist ein neues Format im Netzwerk Caring Communities, das in regelmässigen Abständen stattfinden soll. Haben Sie ein Thema, das Sie mit anderen Personen diskutieren möchten? Dann melden Sie sich bei Fanni Dahinden. Wir unterstützen Sie dabei, stellen die Technik sicher und bewerben den Stammtisch. Sie sind Gastgeber:in, alleine, zu zwei oder zu dritt, Sie wählen ein Thema und auch Termin und Zeit. Und vielleicht überlegen Sie sich eine Einstiegsfrage. Die Erfahrung zeigt, dass an einem Stammtisch immer schnell eine Diskussion in Gang kommt.
 
Wir freuen uns auf viele Stammtische, vielfältige Themen und gute Diskussionen.