Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften im Kreis 10 der Stadt Zürich

Füreinander einkaufen oder Menschen, die sozial isoliert leben, regelmässig anrufen: Zeitgut Zürich Höngg-Wipkingen ist eine Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften im Zürcher Kreis 10. Wer andere unterstützt, kann die geleisteten Stunden später für die eigene Betreuung einziehen. 



Wie ist die Ausgangssituation und was sind die Ziele Ihrer Caring Community?

Zeitgut Zürich Höngg-Wipkingen ist eine Nachbarschaftshilfe mit Zeitgutschriften im Zürcher Kreis 10. Wir möchten Begegnungen, Ideen und Projekte ermöglichen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Kreis fördern. Zeitgut initiiert und unterstützt Prozesse, welche die Selbstverantwortung, Partizipation im Quartier, die Inklusion und ganz allgemein das Bewusstsein für eine zu entwickelnde Sorgekultur fördern. Wir sind mit bestehenden Organisationen des sozialen und kulturellen Lebens vernetzt und unterstützen damit eine Vielfalt von Möglichkeiten, sich im Quartier einzubringen und zu engagieren.

Was hat Ihnen beim Aufbau oder der Weiterentwicklung Ihrer Caring Community besondere Freude bereitet?

Wir haben während des Lockdowns dazu aufgerufen, sich für einen Einsatz zu melden und die Zeit zur Verfügung zu stellen. Wir konnten auf das Engagement einer grossen Zahl (neuer) Freiwilliger zählen! Und das, noch bevor sie sich für oder gegen eine Mitgliedschaft als Genossenschafter*innen entschieden haben. Einige der Freiwilligen stellen ihre Kreativität und Arbeitskraft noch heute zur Verfügung und handeln sehr unkompliziert und unprätentiös. Da ist zum Beispiel ein pensionierter Dozent, der uns mit seinen Fähigkeiten als Fotograf zu einem farbigen Auftritt in der Zeitung und auf Flyern verhalf oder eine Grafikerin, die uns ihr Wissen mit Begeisterung zur Verfügung stellte.

Wie hat sich die Caring Community auf das Zusammenleben ausgewirkt?

Das Bewusstsein für die Nöte anderer und um die eigene privilegierte Situation ist sicher gewachsen – und damit auch die Bereitschaft, Verantwortung für gemeinsame soziale Anliegen zu übernehmen. Nachdem zu Beginn des Lockdowns in erster Linie Unterstützung für ältere Menschen beim Einkaufen angeboten wurde, zeigt sich zunehmend auch das Verständnis für die Situation von selbständig erwerbenden Menschen im Kulturbetrieb oder für die soziale Isolation von nicht berufstätigen Menschen. Ein aktuelles Beispiel aus dem Kreis 10 ist ein Tandem, bei dem ein Künstlerehepaar von einer gutverdienenden Person finanziell unterstützt wird. Ausserdem existiert seit dem November 2020 an vier Tagen pro Woche ein Telefondienst für Menschen, die unter dem coronabedingten Rückzug und der sozialen Isolierung leiden. Mit der neuen Zeitgut Online Community haben sowohl Mitglieder der Genossenschaft als auch «Zugewandte» die Möglichkeit, Ideen für das Zusammenleben einzubringen.

Wer hat von Ihrer Caring Community profitiert?

Neben den vielen Senior*innen, die von den Einkaufsangeboten profitierten, sind auch Alleinerziehende und Künstler*innen in den Fokus gerückt. Letztere haben finanzielle Unterstützung erhalten. Hilfe fanden auch Menschen mit psychischen Problemen, die durch das Gebot des «social distancing» noch mehr vereinsamten. Sicher haben aber auch die Menschen profitieren können, die sich solidarisch für Betroffene einsetzten: Sie haben sich dank der vorhandenen Strukturen unkompliziert einbringen sowie mit Hilfe unserer sehr engagierten Geschäftsleiterin und der kurzfristig installierten Online-Plattformen vernetzen können. Im Sozialbereich tätige Organisationen bekamen die Möglichkeit, Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen zu bekommen.

Welche Tipps geben Sie anderen, die eine Caring Community planen?

Es gibt ein grosses «Reservoir» an Hilfsbereitschaft - vor allem bei jungen Menschen, die sich zwar engagieren möchten, sich aber nicht oder noch nicht an eine Organisation binden möchten. Diese «neuen» Freiwilligen zu vernetzen und ihnen gleichzeitig eine organisatorische Basis für partizipative Prozesse zur Verfügung zu stellen, benötigt viel Zeit, eine sichere finanzielle Basis und ein grosses Engagement von «Festangestellten» (Geschäftsleitung und Vorstand). Die partizipativen Prozesse der Genossenschafter*innen zu stärken ist eine kontinuierliche Aufgabe, die grosser Aufmerksamkeit bedarf.
Vor diesem Hintergrund gilt es, genügend Stellenprozente für eine professionelle Unterstützung der Vernetzung zur Verfügung zu stellen, die finanziellen Belange von Anfang klar zu gewichten sowie frühzeitig mögliche Gönner*innen und Spender*innen anzusprechen. Wichtig ist, die eigene Stadt oder Gemeinde frühzeitig für die Idee einer Caring Community zu gewinnen (Stichwort finanzielle Unterstützung, Steuerbefreiung).

Der Neuaufbau unserer CC stand bisher ganz im Zeichen der Pandemie: Zwar ist die Hilfsbereitschaft gross, doch ist bei vielen Menschen deutlich Unsicherheit und eine gewisse Zurückhaltung im Zusammenhang mit Corona spürbar. Für den Kreis 10 ist der Start zur CC jedoch ein wichtiger Impuls auf dem Weg zu mehr gesellschaftlichem Zusammenhalt.

Was sind die nächsten Schritte?

Konkret geht es nun darum, Zeitgut mit KMU und grösseren Unternehmen zu vernetzen, um Förderer*innen und Gönner*innen für die Idee zu gewinnen und die Caring Community» voranzutreiben. Dazu gehört natürlich auch die Vernetzung mit Organisationen und Institutionen im Kreis 10. Zentrales Ziel ist das Initiieren, Unterstützen und Fördern von Entwicklungen, welche die Beziehungen der Einwohner*innen, die Selbsthilfe und das Bewusstsein für soziale Prozesse stärken.

Kontaktperson

Doris Baschnagel

Region

Zürich und Zentralschweiz

Themen

Integration, Inklusion und Chancengleichheit, Physische und psychische Gesundheit, Unterstützung im Alltag, Voneinander lernen, Zusammenleben, Nachbarschaft

Organisation / Trägerschaft

Genossenschaft Zeitgut Zürich Höngg-Wipkingen


www.zeitgut-zuerich.ch

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